Maßregelvollzug
Systemische und strukturelle Integrations- und Entlasshemmnisse nach forensisch-psychiatrischen Unterbringungen gemäß Strafgesetzbuch
Akronym: SysIEfUS
Träger/Förderer
LVR-Dezernat 8: Klinikverbund und Verbund Heilpädagogischer Hilfen, Fachbereich Maßregelvollzug
Projektlaufzeit
2024 bis 2027
Projektmitarbeitende
Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Jan Querengässer (Operative Projektleitung)
Irina Verhülsdonk (Wissenschaftliche Mitarbeiterin)
Peggy Walde (Wissenschaftliche Mitarbeiterin)
Weitere Beteiligte
Prof. Dr. med. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank (Fachliche Direktorin Forschung)
Dr. Ana Staninska (Data Scientist)
Hintergrund
Der Landschaftsverband Rheinland hat in seinen LVR-Kliniken Bedburg-Hau, Düren, Düsseldorf, Essen, Köln, Langenfeld und Viersen forensische Fachabteilungen. Dort werden Patient*innen, behandelt, die gemäß § 63 StGB oder § 64 StGB von einem Strafgericht untergebracht werden. Beide Paragraphen regeln die Unterbringung von Personen, die straffällig geworden sind und bei denen aufgrund ihrer psychischen Erkrankung eine Gefahr für weitere rechtswidrige Taten besteht. Gemäß § 63 StGB wird die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, wenn die Person schuldunfähig oder nur vermindert schuldfähig ist und eine psychische Erkrankung ursächlich für die Straftat war. Gemäß § 64 StGB wird die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet, wenn eine Substanzkonsumstörung bei den Patient*innen vorliegt und diese ursächlich für die Straftat war.
Die Unterbringung in einer forensischen Klinik verfolgt dabei zwei Hauptziele. Zum einen soll die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten ausgehend von den Patient*innen geschützt werden. Zum anderen verfolgt die Unterbringung das Ziel die psychischen Erkrankungen der Patient*innen zu heilen, oder eine bestmögliche Verbesserung zu erreichen, um erneute Straffälligkeit zu vermeiden und eine Reintegration in die Gesellschaft zu ermöglichen.
Ein wichtiger Bestandteil des Prozesses der Reintegration ist die Schaffung eines geeigneten Lebensraums nach Entlassung. Ein Großteil der Patient*innen ist auch nach der Entlassung aus dem Maßregelvollzug auf Unterstützung in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Wohnen und Arbeit angewiesen. Aus diesem Grund arbeiten Behandler*innen und im fortgeschrittenen Behandlungsverlauf forensische Fachambulanzen eng mit verschiedenen Nachsorgeinstitutionen zusammen, die sich als Entlassraum für forensische Patient*innen eignen. Dazu zählen etwa sozialpsychiatrische Dienste oder die Anbieter bzw. Träger von ambulant-psychiatrischen oder psychotherapeutischen Versorgungsangeboten, von Wohnheimen oder betreuten Wohnformen, von Werkstätten für Menschen mit Behinderung und von anderen arbeitsbezogenen Rehabilitationsmaßnahmen.
Ergebnisse diverser Studien weisen darauf hin, dass Behandler*innen und Mitarbeiter*innen der forensischen Fachambulanzen bei der Schaffung eines geeigneten Entlassraumes auf verschiedene Hürden und Hemmnisse treffen. Anekdotisch werden von Vorbehalten oder Berührungspunkten seitens nachsorgender Einrichtungen, zum Beispiel gegenüber bestimmten Straftaten oder Diagnosegruppen, berichtet. Zudem scheint das Angebot an geeigneten nachsorgenden Einrichtungen nicht auszureichen, sodass Patient*innen oftmals auf freie Plätze warten. Trotz der zentralen Bedeutung einer geeigneten Nachsorge für eine erfolgreiche Reintegration der Patient*innen aus dem Maßregelvollzug, sind keine Studien bekannt, die die Hemmnisse bei der Reintegration und im Entlassmanagement sowie deren Einfluss auf die Verweildauern im Maßregelvollzug strukturiert untersuchen.
Studiendesign und Zielpopulation
In einem Mixed-Methods Ansatz sollen systemische und strukturelle Integrations- und Entlasshemmnisse bei Patient*innen die gemäß § 63 StGB in einer forensischen Klinik untergebracht sind, ermittelt werden. Dazu sollen Behandler*innen in forensischen Kliniken des Landschaftsverbandes Rheinland bezüglich Hemmnissen im Rahmen des Entlassmanagements befragt werden. Zudem soll eine Befragung von Patient*innen, die bereits entlassen wurden, oder sich noch in der Entlassvorbereitung befinden und problematische oder verlängerte Entlassverläufe vorweisen, durchgeführt werden. Außerdem sollen Mitarbeiter*innen in Nachsorgeinstitutionen bezüglich ihrer Erfahrung und möglicher Vorbehalte bezüglich der Zusammenarbeit mit forensischen Fachambulanzen und der Versorgung forensischer Patient*innen interviewt werden. Auf Grundlage der Ergebnisse sollen im letzten Schritt konkrete Handlungsempfehlungen für forensische Kliniken, den Klinikträger, nachsorgende Institutionen und gegebenenfalls politische Akteure abgeleitet werden.
Aktueller Stand des Projekts
Das Projekt wurde im Frühjahr 2024 begonnen. Nach Abschluss der administrativen und organisatorischen Vorarbeiten ist der operative Projektstart im dritten Quartal 2024 geplant.
Trägerübergreifende Analyse der Verweildauern gem. § 63 StGB untergebrachter Personen in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2012 bis 2022
Träger/Förderer
LVR-Dezernat 8: Klinikverbund und Verbund Heilpädagogischer Hilfen, Fachbereich Maßregelvollzug
Projektlaufzeit
2023 bis 2025
Projektmitarbeitende
Priv.-Doz. Dr. Jan Querengässer (Wissenschaftlicher Mitarbeiter)
Peggy Walde (Wissenschaftliche Mitarbeiterin)
Weitere Beteiligte
Prof. Dr. med. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank (Fachliche Direktion Forschung IFuB, Direktorin LVR-IVF)
Dr. Ana Staninska (Data Scientist)
Hintergrund
Die Unterbringung in der forensischen Psychiatrie gem. § 63 StGB ist unbefristet. Wie lange Patient*innen behandelt werden, ehe sie wieder in Freiheit entlassen werden, hängt von vielen Faktoren ab und unterscheidet sich zwischen Bundesländern, einzelnen Kliniken und im Zeitverlauf erheblich. Auch in vielen anderen Staaten sind forensisch-psychiatrische Behandlungen (initial) unbefristet. Nicht nur die Verweildauern selbst, sondern auch die personenbezogenen Faktoren, mit denen diese zusammenhängen, unterscheiden sich im internationalen Vergleich deutlich. Die Kenntnis von personenbezogenen Risiko- und protektiven Faktoren hinsichtlich (über)langer Verweildauern ist wichtig, um Risikogruppen zu identifizieren sowie zielgerichtete Interventionen mit dem Ziel möglichst früher Entlassungen zu konzipieren. Denn überlange Verweildauern sollten nicht nur aus Kosten- sondern auch aus fachlichen, ethischen und rechtlichen Gründen möglichst vermieden werden. Bei der Untersuchung derartiger Faktoren mit Patient*innen aus dem deutschen Maßregelvollzugsystem sollten wegen der landesspezifischen Vollzugsgesetzgebung idealerweise Stichproben aus demselben Bundesland betrachtet werden.
Studiendesign und Zielpopulation
Die vorliegende Studie untersucht auf der Grundlage klinischer Routinedaten von gem. § 63 StGB in Nordrhein-Westfalen (NRW) untergebrachter Personen die Zusammenhänge zwischen Bestands- und Entlassverweildauer einerseits und personenbezogenen Faktoren (z.B. Hauptdiagnose, Deliktgruppe, Lebensalter, Geschlecht) andererseits. Eingeschlossen werden alle zwischen 2012 und 2022 behandelten und entlassenen Patient*innen der forensischen Kliniken bzw. Abteilungen in Trägerschaften der beiden Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL) sowie der Alexianer Christophorus AG.
Aktueller Stand des Projekts
Das Projekt wurde Mitte 2023 konzipiert, im zweiten Halbjahr 2023 fanden die organisatorischen Klärungen zwischen den beteiligten Trägerinstitutionen statt. Auf der Grundlage der digital vorliegenden Datensätze der beiden großen Träger LVR und LWL wurde Anfang 2024 eine erste explorative Datenauswertung vorgenommen. Im Verlauf des Jahres 2024 erfolgte dann die Datenerhebung aus den Akten der Patienten der Christophorus-Klinik in Münster. Nach einer ersten Gesamtauswertung Anfang 2025 und anschließender Plausibilisierungs- und Korrekturmaßnahmen am Datensatz befindet sich die trägerübergreifende Verweildaueranalyse zurzeit in der Endauswertung.
Patient*innen mit Intelligenzminderung im Maßregelvollzug
Wissenschaftliche Projektleitung
Prof. Dr. med. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank
Mitarbeitende
Prof. Dr. med. Jürgen Zielasek (Wissenschaftlicher Koordinator)
Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Jan Querengässer (Wissenschaftlicher Mitarbeiter)
Psychisch kranke Straftäter*innen können in einem psychiatrischen Krankenhaus des Maßregelvollzugs gem. § 63 StGB untergebracht und behandelt werden, wenn sie zum Zeitpunkt des Begehens der Straftat nicht oder vermindert schuldfähig waren und die Gefahr erheblicher weiterer Straftaten besteht. Die Verweildauern im Maßregelvollzug betragen in der Regel mehrere Jahre. Besonders lang fallen die Verweildauern bei Patient*innen aus, die die Diagnose einer Intelligenzminderung (ICD-10-Code: F7x) aufweisen. Daraus ergibt sich ein Interesse an spezifischen Behandlungskonzepten für diese Patient*nnengruppe einerseits und an konkreten Entlasshindernissen andererseits. Dieses Interesse liegt dem vorliegenden Forschungsprojekt zugrunde, das in vier Unterprojekte untergliedert ist.
1) Im Jahr 2021 wurden zunächst die Stationskonzepte der Maßregelvollzugskliniken des LVR-Klinikverbunds hinsichtlich allgemeiner und störungsspezifischer Behandlungselemente für Patient*innen mit Intelligenzminderung qualitativ analysiert.
2) Zudem wurden Routinedatenanalysen zur Belegung, zur Versorgungssituation und zu diversen Populationsmerkmalen der Patient*innengruppe durchgeführt. Die aktuellste Routinedatenanalyse datiert auf den Juni 2022.
3) Beginnend in 2021 wurde eine umfangreiche Literaturrecherche vorgenommen. Deutsche wie englischsprachige Publikationen zur Behandlung und Versorgung von Patient*innen mit einer Intelligenzminderung wurden gesucht, gesichtet und hinsichtlich ihrer inhaltlichen Relevanz für die besondere Versorgungssituation im dt. Maßregelvollzug beurteilt. Es erfolgte eine inhaltlich-qualitative und eine quantitative Auswertung der Ergebnisse, auf deren Grundlage Behandlungsgrundsätze und -empfehlungen abgeleitet und eine wissenschaftliche Fachpublikation verfasst wurden. Deren Einreichung erfolgte im Herbst 2022.
4) Im Sommer 2022 wurde eine Interviewstudie durchgeführt, in der zehn Behandelnde aus forensischen Kliniken des LVR zu ihren Erfahrungen in der Behandlung dieser Patient*innengruppe, zu Einstellungen hinsichtlich der Besonderheiten, der Bedürfnisse und spezifischer Behandlungsprobleme sowie zu Veränderungsvorschlägen befragt wurden. Die Interviews wurden qualitativ-inhaltsanalytisch ausgewertet und zunächst als interner Projektbericht zusammengefasst. Im nächsten Schritt ist auch hierfür die Erstellung einer Fachpublikation geplant.
Ausgehend von den Ergebnissen der vier Teilprojekte sollen Handlungsempfehlungen für eine Optimierung der Versorgung erarbeitet und ein Wissenstransfer in die Behandlungspraxis angestoßen werden.